Fokus im Marketing Porsche 911
Fokus im Marketing
Ein Porsche 911 ist ein Sportwagen
Vor kurzem bin ich über die neue Webekampagne für Porsche USA für das Modell 911 gestolpert.
Diese Kampagne wurde von Kramer-Crasselt entwickelt. Ich war negativ überrascht.
Hier zeigt sich exemplarisch, wie selbst große Unternehmen und vor allem dessen zuständige Marketingagenturen den Fokus verlieren können.
Der 911er von Porsche ist im Prinzip der pure Kern der Marke Porsche.
Hintergrund – Porsches drohende Insolvenz
Porsche stand Ende der 80er Jahre dem Ruin nahe. Ein nicht unwesentlicher Faktor dessen war die versuchte Ablöse des Modells 911 durch das Modell 928. Der 928 war technisch ein völlig neu entwickeltes Auto, mit wassergekühltem V8 Frontmotor, Transaxle-Bauweise und nicht zuletzt mehr Platz und Komfort.
Also ein Gegenkonzept zum Modell 911 mit lüftgekühltem Boxer Heckmotor, konventionellem Heckantrieb und Platz für 2 + 2halbe Personen.
Fokus – das Ego des Ingenieurs
Der Fokus bei Porsche zu dieser Zeit lag auf technischer Ingenieurskunst auf höchstem Niveau. Die Leidenschaften Bedürfnisse der Porsche Kunden wurden übersehen. Vielmehr bewusst ignoriert.
Porsche senkte Ende der 70er Jahre sogar die Leistung des 911er Modells um 20 PS, um den 928 „attraktiver“ zu machen. Der Kunde sollte die Ingenieurskunst anerkennen, nicht die Ingenieurskunst die Kundenbedürfnisse.
Auch in Zeiten ohne Facebook, Blogs und Twitter, schaffte es die zugegeben sehr eingesessene Porsche-Fangemeinde, die Ablöse des 911er durch den 928 zu verhindern. Für die „echten“ Porsche Kunden zählten nicht die objektiven Fakten eines „besseren“ Autos. Sie wollten keinen ein Gran Tourismo, nicht auf Kosten des kompromisslosen Sportwagens.
Fokus – das Bedürfnis des Kunden
Durch Proteste und den Boykott des 928 wechselte Porsche die Strategie spät aber noch rechtzeitig. Durch den neuen Manager Wendelin Wiedeking bekam der 911er wieder stärkere Motoren und die Marke Porsche eine neue Ausrichtung.
Weg von den Ingenieursbedürfnissen. Hin zu den Kundenbedürfnissen.
Ferdinand Porsche sagte einst selbst, Porsche baue Autos die niemand braucht aber jeder haben will.
Nach der gesunden Reduzierung auf das Wesentliche gelang der Turnaround. Porsche entwickelte sich zum effizientesten Autohersteller der Welt.
Porsche baut unvernünftige Sportwagen. Diese Unvernunft weckt und bedient Emotionen. Die Kunden sind bereit einen Preis zu zahlen, der Porsche ca. 20.000 Euro Gewinn vor Steuern pro verkauftes Auto ermöglicht. Diese Marge ist 9x höher als bei BMW, die nach Porsche die höchste Gewinnmarge besitzen.
Diese Differenz hat nichts mit Vernunft seitens der Käufer zu tun. BMW zum Beispiel verkauft auch keine Fahrzeuge, BMW verkauft „Freude am Fahren“. Wie es aussieht aber 9x weniger Freude als Porsche.
Porsche – ein praktisches Auto
Mit diesem Hintergrund verstehe ich die aktuelle Kampagne Porsches in den USA nicht. Der Fokus ist falsch.
Der 911er wird im Rahmen der Kampagne als „Alltagsauto“ verkauft. Als „Familienkutsche“. Als „Winterauto“. Als „Tiertransporter“. Es existieren verschiede Clips unter dem Motto „Porsche. Engineered for Magic. Every day.“. Protagonisten sind der Porsche Boxter und der Porsche 911.
Auslöser ist ein Umsatzminus von 15% im Januar 2011 gegenüber des Dezembers 2010. Man möchte damit den Kundenkreis „erweitern“.
Jetzt sollen also auch vernünftige Hausfrauen und Heimwerker einen Porsche 911 kaufen. Ich glaube nicht, dass sich jemand für einen 911er entscheidet, weil er damit seinen Vierbeiner bequem und sicher zum Tierarzt transportieren kann. Es ist vielleicht eher wahrscheinlich, dass ein 911er-Besitzer jeglichen Vierbeinern gar keinen Zutritt in sein Fahrzeug gewährt.
Als gäbe es keinen Cayenne oder Panamera. Der „vernünftige“ Kundenkreis wird im Hause Porsche schon bedient. Er kann sogar einen Porsche Cayenne als Lastenesel „gebrauchen“ und vor die Jacht spannen. Für die Erschließung neuer Kundenkreise wurde sogar der Boxter filetiert in Form eines Cayman. Nicht zuletzt, um den 911er als Kern nicht aufweichen zu müssen.
Warum also die Unterhöhlung des noch verbliebenden „echten“ Porsches? Fehlt noch, dass zukünftig bei der 911er Aufpreisliste eine Anhängerkupplung eingebunden wird.
Ich bin nicht sicher ob durch die Übernahme Porsches durch den VW Konzern bei der internen Marketingkampagnenverteilung ein Fehler unterlaufen ist. Für mich passt diese Kampagne eher auf den neuen VW Beetle. Ein echter Volkswagen. Vernünftig und für Jedermann. Und schick ist er auch noch. Und ursprünglich hat der ja auch bei Porsche seine Wurzeln. Aber er ist ein VW. Strenggenommen ein Golf.
Fokus.
Schlußendlich ist dieser kleine Ausflug in die Porschewelt ein Versuch, das Primat der Kundenbedürfnisse zu verdeutlichen. Auch wir sind bei unseren Projekten einem Spagat ausgesetzt. Die produktive Verbindung der Identität unserer Kunden und deren Produkte, mit den Bedürfnissen und Wahrnehmungen der „Online-Kundeskunden“.
Im Internet ist dieser Prozess aber transparenter und dadurch leichtfüßiger zu bewerkstelligen als bei der Marktpositionierung eines Sportwagens. Wenn ein Kunde nicht recht von einer Gestaltung eines Bestellprozesses oder der Positionierung eines Kontaktfeldes überzeugt ist, dann kann man durch einen Testlauf und anschließende Analyse der Bestellungen/Anfragen den Beweis liefern. Das gleiche gilt bei der Auswahl und Gestaltung von Keywords und Anzeigentexten im Onlinemarketing. So lassen sich unterschiedliche Meinungen über Gestaltungsausrichtungen relativ simpel durch Zahlen rationalisieren.
So einfach ist es im Falle Porsche natürlich nicht. Hier geht es in erster Linie um Branding. Vielleicht ist bei mir die Sensibilität in diesem Falle auch deswegen etwas erhöht, weil ich mich des Öfteren während des Studiums mit der Marke Porsche auseinander gesetzt habe und meine Aufmerksamkeit für deren Markenidentität relativ groß ist.
Ich denke die Rechnung in Form von Zahlen wird kommen. Sofern diese Markenausrichtung beibehalten wird. Man muss nur 30 Jahre zurückschauen.
Auch wir haben es permanent mit Anpassungen zu tun. Oder nennen wir es besser Optimierung. Es kommt auch manchmal vor, dass wir mit der Wahrnehmung der Kernkompetenz und der Kultur eines Kunden nicht ins Schwarze treffen.
Eine hohe Sensibilität für den Kern eines Unternehmens und dessen Zielgruppe ist aber einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Wenn man sich das nicht permanent vor Augen führt, erstellt man z.B. ein aus gestalterischer Sicht einwandfreies Layout einer Internetseite, welches aber nicht den Stil des Unternehmens widerspeigelt oder dessen Zielgruppe nicht anspricht. So muss man sein Designer- (oder Ingenieur-) Ego manchmal etwas im Zaum halten, um an der optimalen Lösung nicht vorbeizuschießen.
Wir arbeiten „Zielgruppenorientiert und mit ganzheitlicher Betrachtungsweise. Treten Sie mit uns in Kontakt und wir setzen Sie in den Fokus.“ Darauf versuchen wir uns jeden Tag zu konzentrieren. Und ein Porsche 911 ist ein Sportwagen.